Edito – Carole Lorang, Intendantin am Escher Theater

Zeitgenössisches Theater muss Zeuge unserer Realitäten sein, ein Zeuge, der zugleich kritisch und erfinderisch ist.

Der rote Faden unserer ersten Spielzeit ist der Mut in all seinen Formen. Er zieht sich sowohl durch das Programm für Erwachsene als auch durch die Vorstellungen für das junge Publikum. Eines der Schlüsselthemen wird insbesondere der Mut von Frauen sein – Mut, der oft diskret und mitunter nicht sichtbar ist, der sich aber unerschütterlich und ausdauernd zeigen kann. Außerdem wird auch der verzweifelte Mut von Menschen thematisiert, die sich unaufhörlich wagen, ihren Ängsten entgegenzutreten. Sie werden legendären Figuren – fiktionalen oder historischen – wie Madame Bovary, Carmen, Don Quijote und Scapin oder Hannah Arendt begegnen, wobei jede dieser Figuren eine neue künstlerische Bearbeitung erfährt.

Für mich ist das Theater nicht nur ein Ort der ästhetischen Begeisterung, sondern auch ein ausgezeichnetes soziokulturelles Instrument, das uns dazu dient, unser eigenes Leben zu hinterfragen, indem es uns mit dem Unbekannten konfrontiert und uns gleichzeitig ermöglicht, unseren Horizont zu erweitern und uns im Kontakt mit anderen Realitäten in einem gewissen Maße neu zu erfinden. Aus diesem Grund spielt auch das dokumentarische Theater in meiner Programmplanung eine wichtige Rolle. Es handelt sich wirklich um ein Theater, das seine Inspirationen aus dem „wahren Leben“ zieht, um dieses zu einem eigenständigen künstlerischen Werk umzuwandeln. Wir zeigen Vorstellungen, die sich mit Autismus, der Situation von Grenzgängern, Fake News, Sexualität oder auch Fanatismus beschäftigen.

Schließlich – und das ist für mich vielleicht der wichtigste Aspekt – bin ich Verfechterin des Humors in all seinen Formen, und zwar ganz einfach als eine mutige Haltung gegenüber der Existenz, wie eine geistige Einstellung. Wenn ich von Humor spreche, denke ich an absurde, ungewöhnliche Darbietungen voller Spötteleien, Stücke, in denen mit Ironie und Hintersinnigkeit und sogar sonderbaren, unkonventionellen Elementen gespielt wird. Ich freue mich, Kunstschaffende und Künstlergruppen vorzustellen, die sich nicht so ernst nehmen und Selbstironie pflegen. Ich denke, dass man mit einer Haltung, die ein wohlwollendes Lachen zulässt, wahrscheinlich die Distanz schafft, die erforderlich ist, um die richtige Mischung aus Reflexion und Empfinden zu erreichen.

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